SCHUFA will Facebook durchforsten: Was das bedeuten würde
Die SCHUFA will Daten aus sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sowie aus Personensuchmaschinen und Mitarbeiterverzeichnissen zur Bonitätsprüfung heranziehen.
In einer Studie mit dem Hasso Plattner Institut soll bis zum Herbst ermittelt werden, wie das gehen könnte. Datenschützer, Verbraucherverbände und Politiker schlagen Alarm.
Ein ganz normaler Tag im Jahr 2022. Benno Meier (Name geändert) sitzt vor seinem PC und tauscht sich mit Freunden über Facebook aus. Am Vorabend hat er in einer Bar eine Frau kennengelernt, die er als Freundin hinzufügt. Über Twitter postet er an seine Clique: "War ja wieder ein super Abend im R..., freue mich schon aufs nächste Mal!"
Zwanzig Minuten später erhält Benno eine Mail von seiner Bank. Dies teilt ihm mit, dass der nicht in Anspruch genommene Teil seines Dispokredis mit sofortiger Wirkung gestrichen wurde. Zudem fordert sie ihn auf, den in Anspruch genommenen Teil bis zum Ende des Quartals zurückzuzahlen und sein Girokonto künftig auf Guthabenbasis zu führen.
Was der fiktive Benno nicht wusste: Die Frau, die er am Vorabend kennengelernt hat, steckt in Zahlungsschwierigkeiten. Sie war vor kurzem arbeitslos geworden und konnte einen Ratenkredit nicht zurückzahlen. Daraufhin hatte ihr ihre Bank auch noch ihr Konto gekündigt. Doch damit nicht genug. In der Bar R... verkehren überproportional viele Gäste, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht immer nachgekommen sind.
Für die SCHUFA ist klar: Wer mit Personen in akuten Zahlungsschwierigkeiten verkehrt und sich darüber hinaus an Orten mit einem statistisch erhöhten Ausfallrisiko aufhält, weist selbst ein signifikant erhöhtes Ausfallrisiko auf. Die SCHUFA erfährt über soziale Netzwerke vom sozialen Umfeld von Verbrauchern, analysiert die Daten automatisch und teilt Banken in Echtzeit mit, wenn sich ihr "Rating" verschlechtert.
Geo-Scoring in einer neuen Dimension
Wenn es nach der SCHUFA geht, ist die obige Fiktion bald Realität. NDR Info und Welt Online berichten, die Auskunftei habe das Hasso Plattner Institut der Universität Potsdam beauftragt, Vorschläge für die Nutzung von Informationen aus sozialen Netzwerken für die Bonitätseinstufung zu erarbeiten. Die Ergebnisse der Studie sollen im September vorliegen.
Laut NDR Info will die SCHUFA die Kontakte von Facebook-Mitgliedern untersuchen. Auch Textdaten sollen analysiert werden, um "ein aktuelles Meinungsbild zu einer Person" zu erhalten.
Was die SCHUFA plant, ist nichts anderes als ein auf das Internet ausgeweitetes Geo-Scoring. Beim Geo-Scoring werden schon heute Daten aus dem Umfeld einer Person herangezogen, um die Kreditwürdigkeit dieser Person zu bewerten. Wer in einer "schlechten" Straße mit erhöhtem Zahlungsausfallrisiko wohnt, muss deshalb schon heute höhere Zinsen für einen Kredit zahlen oder ganz darauf verzichten.
Die SCHUFA wiegelt ab und verweist darauf, dass alle Überlegungen sich im rechtlichen Rahmem bewegten. "Natürlich stellt sich die Schufa selbst die Frage, welche Konsequenzen die technologischen Entwicklungen des Internets für die eigene wirtschaftliche Existenz haben. Die Schufa ist sich aber auch bewusst, dass diese Frage die gesamte Gesellschaft betrifft".
Dunkle Phantasie: Unendliche Auswertungsmöglichkeiten
Es braucht nur eine begrenzte Phantasie um sich auszumalen, wohin eine derartige Datenanalyse führt und welch weitreichende Konsequenzen sie für eine Gesellschaft haben könnte, in der Kreditwürdigkeit existenziell sein kann.
Denkbare Anwendungsmöglichkeiten gibt es genug. Die SCHUFA könnte in einigen Jahren Stromversorger mit Daten beliefern.
Wer sich in einem sozialen Netzwerk der Gruppe "Die Strompreise sind zu hoch" anschließt, muss eine Kaution hinterlegen. Wer sich als Fan des (Beispiel!) MSV Duisburg "entpuppt" muss höhere Kreditzinsen zahlen, weil Duisburg-Fans ihre Rechnungen häufiger nicht zahlen als Fans des VFL Bochum. Genauso könnte mit den Anhängern bestimmter Musikbands, TV-Serien etc. verfahren werden. Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.
Dass die SCHUFA das Geschäftspotenzial der im Internet befindlichen Daten eines Tages ins Visier nehmen würde, war zu erwarten. Spätestens jetzt ist der Gesetzgeber gefordert.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 07.06.2012 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
Über diesen Beitrag
Veröffentlicht am: 07.06.2012
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Schlagwörter: SCHUFA Daten, Facebook, soziale Netzwerke
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