Vorzeitige Darlehenstilgung
Wenn ein Kunde die heiligen Hallen einer Bank betritt, leuchten den Bänkern oft die Augen, wenn sie erkennen, dass der Gast Geld benötigt. Ratenkredit oder Darlehen wird diese Leihgabe im Fachjargon genannt. Und damit auch alles seine Richtigkeit hat, wird ein Vertrag aufgesetzt. Darin ist festgehalten, für wie lange der Kunde das Geld geliehen bekommt, und bis wann es zu welchen Konditionen wieder zurück zu zahlen ist.
Natürlich wollen die Geldinstitute ihr Geld wieder sehen. Doch geschieht das zu schnell, ist es ihnen auch nicht recht, und so zeigen sie ihren Unmut darüber oft mit überhöhten Gebühren, die unter dem Begriff „Vorfälligkeitsentschädigung“ zu finden sind. Die Bank lässt sich also dafür entschädigen, dass das verliehene Geld unerwartet früh wieder in die Kassen gespült wird. Manch einer wird dabei die Stirn runzeln, denn hat man je einen Arbeitnehmer gesehen, der vom Arbeitgeber eine Entschädigung verlangt, wenn das Gehalt ein paar Tage früher auf dem Konto ist? Immerhin könnte argumentiert werden, dass das Gehalt nicht reichen würde, weil es nun für mehr Tage herhalten muss.
Wie dem auch sei, es gibt verschiedene Gründe, warum ein Darlehen vorzeitig zurück geführt wird. Und da dieses Geschehen meist die Immobilienfinanzierungen betrifft, halten wir uns mit unseren Beispielen auch an diese Sparte.
1. Baudarlehen werden meist – in Zeiten niedriger Zinsen eigentlich immer – auf längere Zeit abgeschlossen. Eine solche Laufzeit kann bis zu 30 Jahre betragen, was aber eher unüblich ist. Aber auch 20 Jahre sind noch genug, um folgendes Beispiel zu verdeutlichen: Eine neu gebaute Immobilie wird mit einem 20-jährigen Darlehen finanziert. Was aber in 20 oder auch nur 10 Jahren ist, wissen weder der Kreditnehmer, noch die Bank. Es könnte also passieren, dass der ehemals so stolze Hausbesitzer in eine andere Kante versetzt wird und beruflich umziehen muss. Nun würde er sicher gerne das Haus verkaufen, an dem er noch abbezahlt. Macht er seiner Bank diesen Vorschlag, spricht er also eine vorzeitige Darlehenstilgung an.
Die Bank, mit der Ankündigung des frühen Geldsegens überrumpelt, überschlägt nun, dass ihr für die letzten 10 Jahre der Laufzeit die Zinsen entgehen und betrachtet das Anliegen mit einem lachenden und einem weinenden Auge (aus Kundensicht) und mit zwei lachenden Augen (aus Bankensicht). Um sich an der vorzeitigen Rückführung schadlos zu halten, geht sie davon aus, dass sie das Geld wieder anlegen wird. Die Differenz zwischen entgangenen Zinsen und den zu erwartenden Einnahmen knöpft sie dem Kunden ab. Anstatt mit spitzem Bleistift zu rechnen, peilt die Bank aber leider oft nur grob über den Daumen, zu ihren eigenen Gunsten, denn sie nimmt an, dass sie das Geld für wesentlich weniger anlegen wird, als es tatsächlich der Fall ist. Zur Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung sind börsennotierte Hypothekenpfandbriefe als Berechnungsgrundlage anzunehmen.
Es ist aber weit verbreitet, dass die Pfandbriefe des "synthetischen" PEX-Indexes herangezogen werden. Daher raten Verbraucherschützer: Lassen Sie die Vorfälligkeitsentschädigung auf jeden Fall nachrechnen, denn die Banken verlangen für die vorzeitige Rückzahlung eines Eigenheimdarlehens meist zu viel. Das geht aus einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Bremen hervor. Eine Vorfälligkeitsentschädigung darf zwar verlangt werden, aber der Gier sind hier Grenzen gesetzt. Das entschied schon 2005 der Bundesgerichtshof. Sollten Sie also in den Genuss kommen, ein Baudarlehen vorzeitig ablösen zu können, dann sollte ein Experte die Vorfälligkeitsentschädigung nachrechnen. Für 50 bis 100 Euro bieten zum Beispiel die Verbraucherzentralen an, der Bank mal über die Schulter zu schauen.
2. Um mit der Bank ein Streitgespräch über vorfällige Gebühren zu führen, muss es aber gar nicht notwendig sein, dass ein auf eine gewisse Laufzeit hin abgeschlossenes Darlehen vorzeitig getilgt wird. Selbst Verträge, die jederzeit eine Kündigung vorsehen, sind vor den nimmersatten Gierhälsen nicht sicher. Das musste eine Frau in ihren Erfahrungsschatz aufnehmen, die bei ihrer Bank ein Darlehen mit einer Laufzeit von 15 Jahren aufgenommen hatte. Die Bank hatte nach Abzug des vereinbarten Disagios 97% der Darlehenssumme ausgezahlt, und dann war das Darlehen bereits nach 42 Monaten getilgt.
Hierin sah die Frau nun eine Chance, zuviel gezahltes Disagio zurück zu verlangen. Die Bank sah sich dieser Forderung aber uneinsichtig gegenüber und verwies auf eine fein säuberlich versteckte und klein gedruckte Klausel in den Kreditbedingungen, wonach eine Erstattung von vorn herein ausgeschlossen war (da machte sich ein Vorwegabzug des Disagios also mächtig gut). Da keine Einigung zustande kam, wurde das Oberlandesgericht Hamm um Meinung gebeten. Wirtschaftlich betrachtet sah das OLG im Disagio eine Vergütung für die Überlassung des Darlehenskapitals und folgerte daraus, dass diese Vergütung bei vorzeitiger Beendigung eines langfristig angelegten, aber jederzeit kündbaren Vertrags anteilig zurückzuerstatten sei. Die Klausel hielt das Gericht für unwirksam.
3. Damit nicht genug der Möglichkeiten, Banken zur Uneinsichtigkeit zu zwingen. Auch im Fall einer Umfinanzierung kann es zu gegenteiligen Meinungen zwischen Bank und Kunden kommen. Der XI. Zivilsenat des BGH tat seine Meinung kund, dass ein Darlehensnehmer die vorzeitige Rückführung eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens verlangen kann, wenn das Grundstück verkauft werden oder als Sicherheit bei weiteren Instituten herhalten soll. Nach Auffassung des BGH hat der Darlehensnehmer ein Recht auf freie Verfügung über sein Grundstück, und dieses überwiege das Interesse der wirtschaftlich voll zu entschädigenden Bank an ungestörter Vertragsabwicklung. Zwar räumte auch der BGH ein, dass die Bank entschädigt werden müsse. Diese Entschädigung darf aber nicht der Willkür des Kreditinstituts entspringen und nach oben offen sein. Selbst bei Umfinanzierung kann es also vorkommen, dass sich eine Bank der Darlehenskündigung verschließt. Aber da wir Kunden ja nicht auf den Kopf gefallen sind:
Hier ein Tipp: Überlegen Sie mal. Braucht vielleicht das Bad einen neuen Anstrich, der etwa 5.000 Euro verschlingt? Könnte es nicht sein, dass Sie diesen Betrag im Rahmen einer neuen Hypothek benötigen? Bei dieser Forderung hat die Bank keine Wahl. Sie muss die Darlehenskündigung akzeptieren und ordentlich abrechnen.
Trotz eindeutiger Urteile gibt es immer noch Geldläden, die sich nach der weit verbreiteten Manier der Neuzeit in ihrer Gier am Kunden gütlich tun wollen. Sie berechnen nach ihren Regeln und verlangen mehr, als ihnen zusteht – oft sehr viel mehr. Uns ist ein Fall bekannt, bei dem sie für die vorzeitige Rückführung eines Darlehens über 550.000 Euro 16.000 Euro zuviel an Gebühren verlangte.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 05.12.2007 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
Über diesen Beitrag
Veröffentlicht am: 05.12.2007
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Schlagwörter: Vorzeitige Darlehenstilgung, Tilgung, vorzeitig ablösen, Ablösung, Umschuldung
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