Kasino-Kapitalismus: Wie Kredite um die Welt wandern
Börsencrash, Bankenpleiten und Staatsbankrott: Die weltweite Finanzkrise bietet gegenwärtig ausreichend Stoff zur medialen Berichterstattung. Die Thematik allerdings erscheint vielen Bürgen trotz ihrer bereits seit Monaten starken Präsenz abstrakt und nur schwer verständlich. Insbesondere erscheint es wenig plausibel, dass die Überschuldung US-amerikanischer Eigenheimbesitzer die Spareinlagen deutscher Bankkunden in Gefahr bringt.
Das Verständnis dieses Zusammenhangs bedarf einer näheren Betrachtung der Geschehnisse auf den internationalen Kapitalmärkten und hierbei insbesondere auf die Praxis vieler Kreditinstitute bei der Refinanzierung von ausgereichten Darlehen. Amerikanische Banken, die Kredite an US-Bürger ausbezahlt haben, mit denen deren Immobilien finanziert wurden, haben die Forderungen gegen die Kreditnehmer verbrieft und in „Paketen“ an andere Finanzmarktteilnehmer weiterveräußert. Die Kredite waren und sind besichert durch die damit erworbenen Häuser und Grundstücke.
Die verbrieften und veräußerten Forderungen wurden von ihren neuen Besitzern mit anderen Kreditengagements zusammen zu neuen Paketen geschnürt und wiederum über den Finanzmarkt veräußert. Der Wert der Papiere, die so konstruiert werden, hängt dabei von der Einstufung durch Rating-Agenturen ab: Betrachten diese ein Wertpapier als sicher, können seine Besitzer einen entsprechend hohen Preis bei der Veräußerung erzielen.
Die Refinanzierungs-Praxis bietet für Banken, die im Segment der privaten Immobilienfinanzierung aktiv sind, einen entscheidenden Vorteil: Die Risiken, die mit den Engagement verbunden sind, müssen nicht in der eigenen Bilanz belassen sondern können auf Dritte übertragen werden. Der Preis, den ein Kreditinstitut beim Verkauf einer Forderung für das eliminierte Risiko bezahlen muss, richtet sich nach der benannten Einschätzung durch die Rating-Agenturen und findet Gestalt in einem entsprechend mehr oder minder hohen Abschlag auf den Wert der Forderungen aus den Krediten.
Im Zuge der Finanzkrise treten nun mehrere Fehlentwicklungen gleichzeitig ans Licht, die durch den hohen Grad an auf im globalen Finanzsystem bestehenden Interdependenzen von erheblicher Dringlichkeit sind. Zum einen ist rückblickend klar, dass die Risiken, die mit der Kreditvergabe in den USA verbunden waren, von den Rating-Agenturen zu gering eingestuft worden waren. Insbesondere die vermeintliche Deckung der Finanzierungen durch Immobilien erweist sich nach dem Platzen der Blase auf dem US-Häusermarkt als Trugschluss.
Die verbrieften Forderungen wurden demnach zu teuer gehandelt und in den Bilanzen der Banken zu hoch angesetzt. Eine weitere Problematik besteht in der mehrfachen Bündelung der Darlehen und ihrem Weg in den Finanzströmen rund um den Globus: Noch immer besteht bei vielen Kreditinstituten kaum Klarheit darüber, wie viele Forderungen letztlich ausfallen und wie hoch der Korrekturbedarf in der Bilanz ist.
Eine weitere wesentliche Problematik liegt in der Komplexität der verbrieften Kreditpakete. Die Banken nutzen verschiedene Vorgehensweisen, bei denen unter anderem das Ausfallrisiko eines Kredites von diesem selbst getrennt und separat gehandelt werden kann. Der Handel von Kreditrisiken ist auch über die Terminbörse Eurex möglich, wird allerdings in größerem Umfang direkt zwischen den beteiligten Banken abgewickelt.
Die enge Vernetzung der Akteure am globalen Kapitalmarkt führt in Kombination mit den Produktstrukturen dazu, dass Risiken, die ursprünglich den amerikanischen Bankensektor betreffen, urplötzlich in den Büchern deutscher Kreditinstitute erscheinen und diese in Schieflage bringen können: Hat eine deutsche Bank beispielsweise die Forderungen gegen US-amerikanische Eigenheimbesitzer erworben und werden diese zahlungsunfähig, verliert die verbriefte Forderung ihren Wert . In diesem Zusammenhang liegt einer der wesentlichen Bausteine der gegenwärtigen Krise.
Alle Angaben ohne Gewähr. Dieser Beitrag wurde sorgfältig recherchiert und gibt den Sachstand vom 13.10.2008 wieder. Neuere Entwicklungen sind im Beitrag nicht berücksichtigt. Eine Haftung für Inhalte wird nicht übernommen.
Über diesen Beitrag
Veröffentlicht am: 13.10.2008
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Schlagwörter: Kredite, Finanzkrise, Börsencrash, Bankenpleiten, Staatsbankrott
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